Vipassana – Die härteste Challenge meines Lebens
Die härteste Challenge meines Lebens war ein 10-tägiger Meditationskurs im Norden Indiens. Vipassana ist eine spezielle Technik der Meditation und unterliegt folgenden Regeln: Kein Sprechen über den ganzen Zeitraum der Meditation, keine elektronischen Geräte, keine Bücher, es darf nicht gelesen, geschrieben oder musiziert werden, keine Berührungen, keine Gestik und Mimik, auch kein Anlächeln ist erlaubt.
Mein Start mit Vipassana – Ankunft im Meditationszentrum
Einen Tag vor Beginn des Vipassana Kurses kam ich an. Am Vorabend mussten alle elektronischen Geräte (darunter auch Handy, Kamera, etc.) abgegeben werden. Dann hieß es ab 20 Uhr Sprechverbot und ab dem Momentherrschte Totenstille. Nach einiger Zeit realisierte ich, dass an diesem Kurs – im Nirgendwo Indiens – 30 indische Männer, 28 indische Frauen und 2 Österreicher (meine Reisepartnerin und ich) teilnahmen. Von Anfang wurden Männer und Frauen an strikt getrennt. Das hieß also getrennte Unterkunftsgebäude, getrennte Essensräume und getrennte Wege zur Meditationshalle. Insgesamt herrschte ein strenger Tagesplan und strikte Diät. Es gab zwei Mahlzeiten am Tag, vegetarisch und sehr leicht verdaulich.
Tagesablauf der 10 Tage Vipassana:
4.00 Uhr | Morgengong |
4.30 bis 6.30 Uhr | Meditation in der Halle |
6.30 bis 7.15 Uhr | Frühstück |
7.15 bis 8.00 Uhr | Pause (es wurde geschlafen) |
8.00 bis 9.00 Uhr | Gruppenmeditation in der Halle |
9.00 bis 11.00 Uhr | Meditation in der Halle |
11.00 bis 12.00 Uhr | Mittagessen |
12.00 bis 13.00 Uhr | Pause (es wurde geschlafen) |
13.00 bis 14.30 Uhr | Meditation in der Halle |
14.30 bis 15.30 Uhr | Gruppenmeditation in der Halle |
15.30 bis 17.00 Uhr | Meditation in der Halle |
17.00 bis 17.30 Uhr | Teezeit |
17.30 bis 18.00 Uhr | Pause (entweder wurde geschlafen oder Wäsche gewaschen) |
18.00 bis 19.00 Uhr | Gruppenmeditation in der Halle |
19.00 bis 20.30 Uhr | Unterrichtsstunde über Meditation |
20.30 bis 21.00 Uhr | Gruppenmeditation in der Halle |
21.30 Uhr | Licht aus, Schlafenszeit |
Ihr findet den Tagesablauf heftig? Das war er auch, der Titel heißt nicht um sonst „Die härterste Challenge meines Lebens“. Nach dem 1. Tag konnte ich es nicht ganz glauben, dass dieser Tagesablauf meine nächsten 10 Tage bestimmen würde. Nach der Hälfte des 2. Tages war ich kurz vorm Aufhören. Am 3. Tag war ich in Tränen aufgelöst vor lauter Schmerz. Du fragst dich, was für Schmerzen? Dann erkläre ich es kurz: Wir mussten alle im Türkensitz dasitzen. Dabei ist der Rücken gerade, der Kopf zeigt nach vorne und die Augen sind geschlossen. Also keine Bewegung, kein Augenaufschlag, sonst wird man sofort ermahnt.
Am 4. und am 5. Tag Vipassana hatte ich einen kleinen Lichtblick. Der 6. und 7. Tag brachten wiederum Schmerzen in den Knien, der Leiste und im Rücken mit sich. Der 8. Tag war von Kopfschmerzen geplagt. Am 9. Tag hatte ich meine komplette Vergangenheit bereits im Kopf auf und abgespielt, jede Einzelheit zerlegt, jeden negativen und auch positiven Gedanken zugelassen, in der Gegenwart gegrübelt und meine Gedanken durch die Zukunft schweifen lassen.
Einige Kilos leichter und mit einem enormen Redefluss erreichte ich den 10. Tag Vipassana und war froh am 11. Tag wieder in Freiheit zu sein. Dies war definitiv bis jetzt die härteste Challenge meines Leben.
Indische Eigenheiten während des Vipassana
In diesen 10 Tagen habe ich mir eine Räumlichkeit mit einer älteren Damen aus Mumbai geteilt. Das kostete mir des öfteren Kraft, um extreme Lachanfälle zu unterdrücken. Zuerst hatte ich Bedenken, dass mein Schlafoutfit (Trägertop und kurze Hose) etwas unpassend wäre. Als meine liebenswürdige Zimmerkollegin ganz ungeniert wegen der drückenden Hitze ihre Brüste vor mir auspackte, brauchte ich mir wegen meines Schlafoutfits auch keine Sorgen mehr zu machen. Ich wurde jeden Morgen zehn Minuten nach dem Gongschlag um 4.10 Uhr für ein zweites Mal geweckt, mit einem 10 minütigen Konzert erfüllt von einem Hochziehen in der Nase, Gerotze und Ausgespucke. Ah so willst du jeden Morgen geweckt werden. 🙂
Damit war aber nicht genug! Zum Ohren säubern wird in Indien ein Streichholz verwendet, was ja durchaus in Ordnung ist. Meine Zimmerkollegin fabrizierte es so, dass sie diese bereits verwendeten Streichhölzer direkt auf den Boden schmiss, auf dem wir barfuß gingen. Außerdem musste wieder ein Streichholz herhalten, wenn sie nach dem Essen das Bedürfnis nach Reinigung ihrer Zähne hatte. Das wurde zuerst an der Spitze abgekaut und auf den Boden gespuckt. Nacheinander kratzte sie die Essensreste aus ihren Zahnzwischenräumen und spuckte dies auf den Boden. Manchmal kam es vor, dass sie einen Schluck Wasser nahm, ihren Mund damit ausspülte und schwups, landete alles auf dem Fensterbrett oder direkt am Boden.
Die Meditationen, die an und für sich komplett im Stillen abgehalten wurden, waren dennoch unter ständiger Begleitung von Gerülpse und Gepfurze der Männer und Frauen, egal welchen Alters. Auch eine Sache, die es mir öfters mal schwer fallen lies nicht laut los zu lachen beim Vipassana.
Nach Ende des stummen 10-Tages-Kurses wurden die Inderinnen plötzlich fröhlich und man sah sie lächeln. Dabei gab es gab ein großes, faszinierendes Angefasse und gegenseitiges Gefüttere, da für die netten Damen Europäer etwas Faszinierendes sind.
Habt ihr auch schon mal Vipassana gemacht oder habt ihr Interesse daran?
Michael
Posted at 23:17h, 22 DezemberHallo Christina, darf ich Fragen welches Vipassana Zentrum es in Nordindien war?
Und konntest Du Deine Meditationsroutine nach dem Kurs aufrecht erhalten? Vielen Dank für den schönen Bericht
Ganz liebe Grüße, Michael
Christina Strasser
Posted at 11:27h, 22 FebruarLieber Michael,
Danke für deine Nachricht. Ich war in diesen Vipassana Zentrum: Dhamma Suvatthi, Sravasti, Uttar Pradesh, India. Nein ich habe meine Meditationsroutine nicht beibehalten. Ich meditieren für mich auf eine andere Art und Weise und zwar durchs gehen. Also ich gehe lange Strecke und kann somit sehr gut abschalten und bei mir sein. Liebe Grüße, Christina
Hiro
Posted at 10:07h, 19 OktoberWoW, alle Achtung, 10 Tage ohne Sprechen den ganzen Tag meditieren… ufff… also wirklich ein Wahnsinn!